Lautschrift | IPA fürs Singen auf Ukrainisch

Das Internationale Phonetische Alphabet (IPA) ist ein universelles Zeichensystem zur Darstellung der Laute einer beliebigen Sprache, unabhängig von deren Schreibweise. Der praktische Wert dieser Lautschrift ist unbestreitbar. Es ist der Schlüssel zum Erlernen und Reproduzieren des Lautsystems jeder Sprache der Welt.

In der folgenden Tabelle und Abbildung sehen Sie, wie die Phonologie und Phonetik der ukrainischen Sprache mit den Mitteln von IPA dargestellt werden können. Die folgenden Regeln gelten im Wesentlichen auch für die Aussprache der ukrainischen Variante des Kirchenslawischen.

Tabelle 1: Konsonantentabelle des Ukrainischen (aus Pompino-Marschall, Bernd; Steriopolo, Elena; Żygis, Marzena (2016), "Ukrainian", Journal of the International Phonetic Association, bearbeitet.

Tabelle 1 zeigt die Konsonanten des Ukrainischen. Die Zeilen geben die Art der Artikulation an, während die Spalten den Ort der Artikulation angeben. Die Konsonanten werden in Paaren von stimmhaften (rechts) und stimmlosen (links) Lauten dargestellt. Bei den Lauten in Klammern handelt es sich um sogenannte semipalatalisierte Konsonanten. Mehr Informationen über diese Besonderheit des Ukrainischen finden Sie im Kritischen Bericht unten.

Die folgende Abbildung zeigt das Vokalsystem der ukrainischen Sprache unter Verwendung der IPA-Tabelle der Vokale.


Abbildung 1: Ukrainische Vokaltabelle, modifizierte IPA-Vokaltabelle.

In Abbildung 1 sind die Vokale dargestellt. Die Allophone der Vokale in unbetonter Position sind eingeklammert. Sie werden im folgenden Kritischen Bericht näher erläutert. Diese Abbildung zeigt die Höhe (geschlossen - offen) und die Position (vorne - hinten) der Zunge. Beim Singen kann die Position der Vokale aufgrund der Gesangstradition, des Stimmtyps und anderer individueller Merkmale variieren. Beim klassischen Gesang werden die Vokale in Klammern seltener oder auch gar nicht verwendet. Wir beziehen uns bei unserer Darstellung auf den Artikel über die Phonologie der ukrainischen Sprache aus dem Handbuch der International Phonetic Association, verfasst von Bernd Pompino-Marschall, Elena Steriopolo und Marzena Zygis. Die Position des [ɑ] ist je nach Autor und auch beim klassischen Gesang wie im Deutschen eher mittig nahe dem tiefen Schwa [ɐ] einzuordnen

Auch wenn die Aussprache beim Singen ein wenig von der normalen Sprache abweicht, ist es wichtig, die Laute richtig zu bilden, um sie hell und angenehm zu machen. Die Artikulation des Sängers spielt dabei eine wichtige Rolle, denn sie wirkt sich direkt auf die Bildung eines schönen und ausdrucksstarken Stimmtons aus.

Um eine klare Aussprache zu erreichen, müssen die Sänger*innen die notwendigen Normen und Regeln beachten. So ist es von entscheidender Bedeutung, dass das Ende einer Phrase immer eine aktive, perfekte Artikulation erfordert, ohne die letzten Laute zu "verschlucken". Wichtig ist auch, dass im Ukrainischen die Konsonanten am Ende des Wortes oder der Silbe nie stimmlos werden, wie es in anderen Sprachen, z. B. im Deutschen oder Russischen, vorkommen kann.

Die orthoepischen Normen der ukrainischen Sprache verlangen eine feste Aussprache aller Konsonanten vor den Vokalen /ɑ, ɛ, ɪ, ɔ, u/. Diese Regel ist besonders wichtig für die zischenden Konsonanten /ʒJ, ʧJ, ʃJ, ʤJ/. Die Palatalisierung dieser Konsonanten in Positionen vor /ɑ, ɛ, ɪ, ɔ, u/ kann zwar in der Alltagskommunikation aufgrund des Einflusses der russischen Sprache vorkommen, aber eine solche Aussprache wird aufgrund der orthoepischen Normen der ukrainischen Sprache als falsch angesehen.

Zum Konsonanten <в> im Ukrainischen sind einige Bemerkungen notwendig. Die Hauptdarstellung im IPA ist das Phonem /ʋ/. Der Konsonant hat darüber hinaus jedoch mehrere Allophone, die hauptsächlich in nicht-klassischem Gesang angewendet werden. Er kann als halbpalatalisierter stimmhafter labiodentaler Approximant erscheinen - [ʋJ] in Fällen, in denen es vor /i/, einem weichen Zeichen oder einem jotierten Vokal ohne Apostroph steht: [ʋJnɔk], цвьох [tsʲʋJɔx], святий [sʲʋJɑtɪj]. Als nichtsilbiges [u] - [u̯] kann es innerhalb des Wortes nach einem Vokal und vor dem Konsonanten, am Wortende nach dem Vokal oder am Wortanfang vor einem anderen Konsonanten stehen ластівка [lɐstʲiu̯kɑ], схопив [sxɔpɪu̯], ввечері [u̯ʋɛtʃeri]. Es kann auch als stimmhafter labial-velarer Approximant ausgesprochen werden - [w], wenn es vor gerundeten Vokalen /ɔ, u/ steht: вовк [wɔu̯k], вухо [wuxo]. Ein weiteres Allophon ist der stimmlose Labial-Velar-Approximant [ʍ]: вперше [ʍpɛrʃe]. Auch durch den musikalischen Kontext kann die Aussprache dieses Lautes beeinflusst werden. Der beste Weg, den Unterschied zu erkennen, ist, dem Muttersprachler zuzuhören.

Grundsätzlich gehen wir nicht davon aus, dass sich die phonetischen Transkriptionen für Chor und solistischen Gesang abgesehen von kleinen Ausnahmen unterscheiden. Der wesentliche Unterschied zwischen unterschiedlichen Gesangsarten liegt dabei häufig in der Stimmgebung und dem Einsatz von Formanten, die mit dem IPA nicht oder nur bedingt ausgedrückt werden können. Weitere linguistisch relevante Vorgehensweisen und Entscheidungen sind im Kritischen Bericht zu finden.

 

Allgemeiner Kritischer Bericht

Die IPA-Transkription wurde durch Fettdruck hervorgehoben, wodurch eckige Klammern oder Schrägstriche, die normalerweise eine phonetische oder phonologische Transkription kennzeichnen, weggelassen werden konnten.

Primäre und sekundäre Betonungen werden entsprechend den Betonungen in gesprochenen Wörtern zugeordnet. Sie müssen nicht unbedingt mit der musikalischen Phrase übereinstimmen. Akzentuierungen werden nicht angegeben, ergeben sich aber in der Regel aus der musikalischen Phrase.

Silben werden nicht wie üblich durch Satzzeichen, sondern durch Bindestriche gekennzeichnet. Wie im orthografischen Text verwenden wir auch hier einen Unterstrich an den Wortenden, um die Lesbarkeit der Transkription zu erleichtern.

Wenn Konsonanten am Ende einer Silbe in der Mitte eines Wortes auftreten, werden sie systematisch an den Anfang der folgenden Silbe verschoben. Von dieser Regel wird nur in Ausnahmefällen abgewichen, etwa bei der Kombination mit sehr kurzen Notenwerten. Besonders nachvollziehbar wird dieses Vorgehen in Verbindung mit längeren Notenwerten und Melismen: Viele Sänger*innen sind bestrebt, so lange wie möglich auf sonoren Klängen wie Vokalen zu verweilen.

Dieser kritische Bericht stellt keine vollständige Beschreibung der ukrainischen Phonologie und Phonetik dar. Einige Punkte des vorangegangenen Kapitels bedürfen jedoch weiterer Kommentare zu einigen grundlegenden philologischen Entscheidungen.

Das erste Detail, das geklärt werden muss, ist das Phänomen der Semi-Palatalisierung. Die Palatalisierung von Labialen /bJ, ʋJ, mJ, pJ, fJ/, Velaren /ɡJ, kJ, xJ/, Glottalen /ɦJ/, und Postalveolaren /ʒJ, ʧJ, ʃJ, ʤJ/ ist recht schwach. In verschiedenen Quellen werden sie als semi-palatalisiert, halb-weich, halb-weich oder halb-palatalisiert bezeichnet. Im Grunde handelt es sich dabei um die Allophone der entsprechenden harten Konsonanten, nicht aber um die separaten Phoneme. Der Unterschied zwischen diesen Allophonen und den harten Phonemen ist zwar nicht so wichtig, wenn sie vor /i/ stehen, aber er ist äußerst wichtig, wenn diese Konsonanten vor jotierten Vokalen ohne Apostroph stehen. Da IPA kein spezielles Zeichen für die Halbpalatalisierung kennt, werden diese Allophone in unseren Ausgaben mit einem hochgestellten punktlosen »j«, z. B. /pJ/, dargestellt, um sie von den palatalisierten Phonemen zu unterscheiden. Wir folgen damit einem Vorschlag von Buk et al. (2008).

Vokale und ihre Allophone bedürfen ebenfalls einer weiteren Erklärung. Im Ukrainischen gibt es sechs Vokalphoneme. Sie sind /ɑ, ɛ, ɪ, i, ɔ, u/. Obwohl es im Ukrainischen keine phonemische Unterscheidung zwischen langen und kurzen Vokalen gibt, gibt es dennoch einen Unterschied in der Aussprache von Vokalen in betonten und unbetonten Positionen. Das gilt wie gesagt vor allem für nicht-klassische Musik. Wie Sie vielleicht in der Abbildung 1 gesehen haben, sind die unbetonten Vokale eher zentralisiert. Das Phonem /ɑ/ in unbetonter Lage wird mit dem Allophon [ɐ] dargestellt, /ɔ/ mit dem Allophon [o] und /u/ mit dem Allophon [ʊ]. Das Hauptproblem besteht darin, den Unterschied zwischen unbetontem /ɛ/ und /ɪ/ zu definieren. In unseren Transkriptionen von nicht-klassischer Musik würden wir in beiden Fällen das Allophon [e] verwenden, da dies der richtige Weg zu sein scheint, diesen Laut darzustellen. Außerdem wird dieser Weg in den meisten Texten, die diesem Thema gewidmet sind, vorgeschlagen. Mehr über ukrainische Vokale und ihre Allophone können Sie in »Ukrainian vowel phones in the IPA context« von Maksym Vakulenko nachlesen.

Eine Besonderheit des Ukrainischen sind Geminaten, d. h. verlängerte Konsonanten, die durch das Zusammentreffen zweier identischer Konsonanten auch über Silbengrenzen hinweg gebildet werden können und vor allem beim Singen beachtet werden müssen. Laut Bratishko (2018) ist eine Geminate im Gesang besonders wichtig, da sie eine der Möglichkeiten darstellt, Emotionen und Gefühle durch den Text auszudrücken und eine überzeugende Darbietung zu bieten.

Intonationsmerkmale und logische Akzente werden meist durch den literarischen Text des Liedes vorgegeben. So sollte die Aussprache von Vokalphonemen, die sich durch maximale Länge im Gesang auszeichnen, immer den spezifischen Anforderungen der musikalischen Phrase entsprechen. Konsonanten und notierte Phoneme hingegen werden eher unmittelbar und explosiv ausgesprochen. Um die musikalische Phrase nicht zu stören, müssen Konsonanten (und iotierte) schnell ausgesprochen werden, wobei die Regeln für die Aussprache offener Silben zu beachten sind. Nach diesen Regeln gibt es im Gesang keine so genannten »geschlossenen« Silben. Das bedeutet, dass Silben im poetischen Text eines Liedes nicht durch einen Konsonanten (Phonem) »geschlossen« werden dürfen. Wenn es eine solche Silbe gibt, muss sich der Konsonant, der sie »abschließt«, beim Singen mit der nächsten Silbe verbinden. Um es einfacher zu machen, werden solche Konsonanten in unseren Ausgaben automatisch auf die folgenden Silben verschoben.

 

Weiterführende Literatur

Maksym Vakulenko: »Ukrainian vowel phones in the IPA context«, in: GOVOR 35/2 (2018), S. 189-213 (online verfügbar: https://hrcak.srce.hr/file/313164).

Buk et al. (2008): Some properties of the Ukrainian writing system.

Pompino-Marschall, Bernd; Steriopolo, Elena; Żygis, Marzena (2016), "Ukrainian", Journal of the International Phonetic Association.

Zurück zum Blog

Hinterlasse einen Kommentar

Bitte beachte, dass Kommentare vor der Veröffentlichung freigegeben werden müssen.